abrahams schoß
Mit Spurensicherung, Feldforschung und Objektkunst lässt sich das gesamte Feld der Arbeiten umreissen, die zu Herr Penschucks Werksatz #REGISTRATO seit Anfang der 1990er Jahre zählen. Nicht immer sind es raumbezogene Installationen – bis diese entstehen, sammeln sich Fundstücke und Fragmente im Archiv an, so wie zwei Einmachgläser seiner Urgroßeltern, in denen sich Stachelbeeren bzw. Johannisbeeren befinden, eingemacht im Sommer des Jahres 1946. „Für schlechte Zeiten“, so der lakonische Titel dieses Ready Mades aus dem Jahr 1990. Gezeigt 1992 in einer frühen Installation im Oldenburger Stadtmuseum in der Ausstellung „Erinnerte Kindheit und Jugend“, die das Ausstellungsthema literarische Kindheitsautobiographik durch künstlerische Intervention mit Objekten ergänzte.
Für die 2019 neu geschaffene Installation „Abrahams Schoß“ griff Herr Penschuck auf Fotos und Artefakte des Familienarchivs zurück, um sich der Befragung der Ausstellung zu stellen. Das Hauptelement bildet ein überaus bequemer Polsterledersessel, der, als Replik wiederbeschafft, den Erzählungen nach von den Urgroßeltern in den 1930er Jahren von einem jüdischen Frankfurter Nachbarn erworben wurde, bevor dieser emigrierte. Im Familiennarrativ hiess dieser Sessel Abrahams Schoß, da er für seine Großmutter als Backfisch Behaglichkeit und Schutz wie nach der Redensart „sicher wie in Abrahams Schoß“ spendete. AusstellungsbesucherInnen, die auf dem Sessel Platz nehmen, schauen vis-à-vis auf eine vergrösserte Scherenschnittgrafik von 1940, die ein tanzendes Kinderpaar in Trachtenkleidung nebst Edelweissidylle zeigt. Über Kopfhörer werden Gesprächsaufzeichnungen von Penschuck mit seiner Grossmutter aus dem Jahr 1993 erlebbar, die als Schulabgängerin mit Notabitur vor dem Studium die typischen Stationen Kriegshilfsdienst und Reichsarbeitsdienst durchlief.
Beruflich war Penschucks Urgroßvater von 1934–48 Prokurist der Dortmunder Baufirma Heinrich Butzer, die ab 1939 nach Bauausführungen von Stahlbetonbrücken in der derzeit noch neuen Leichtbauweise dann auch in Arbeitsgemeinschaften des Stammhauses und ihrer Niederlassungen u.a. in Hamburg, Berlin und München ausführend an kriegsrelevanten Bauten wie Schutzbunkern oder unterirdischen Bunker- und Stollenanlagen beteiligt war. Es ist davon auszugehen, dass die Fa. Heinrich Butzer zur Realisierung militärischer Bauprojekte auch Zwangsarbeiter in noch nicht untersuchten Ausmaß einsetzte.
„War mein Opa Nazi?“ – eine Antwort darauf wird mit Abrahams Schoß nicht gegeben, wohl aber eine indiziengleiche Annäherung an Wahrheiten, die ästhetisch übersetzt, die noch verfügbaren Hinweise aus den Vor- und Nachlässen befragen.